Verfahrensgerechtigkeit und psychologische Modelle des Gerechtigkeitsmotivs

Seminararbeit

Rechtsfindung und Rechtsprechung
Dozent: J. Schmid
Psychologisches Institut
Universität Heidelberg

WS 1997/98

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Gliederung

Teil 1: Theorien zur Vefahrensgerechtigkeit

1. Einleitung

2. Die Kontrolltheorie von Thibaut &Walker (1975)

3. Das Gruppe-Wert Modell von Tyler (1989)

4. Untersuchung zum Gruppe-Wert Modell (Tyler 1989)

Teil 2: Psychologische Modelle des Gerechtigkeitsmotivs und ihr Einfluß auf die Wahrnehmung von Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit

1. Einleitung

2. Studie 1

3. Studie 2

4. Abschließende Bemerkungen

5. Literatur

Teil 1: Theorien zur Verfahrensgerechtigkeit

1.Einleitung

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Der Begriff Verfahrensgerechtigkeit bezeichnet die bei einem Entscheidungsprozeß von den Beteiligten wahrgenommene Gerechtigkeit. Wie diese von den Beteiligten wahrgenommen wird, hängt von verschiedenen Einflußfaktoren ab. Die Entscheidungen, die Gegenstand der Forschung waren, sind vielfältig; es geht nicht nur, aber auch um gerichtliche Urteile. Im Folgenden möchte ich zwei wichtige Theorien zur Verfahrengerechtigkeit vorstellen und zwei Untersuchungen zum Thema erläutern.

2. Die Kontrolltheorie von Thibaut &Walker (1975)

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Die Grundannahme von Thibaut und Walker war, daß die Reaktion von Menschen auf Entscheidungen Dritter von der wahrgenommenen Fairneß des Entscheidungsprozesses bestimmt wird, unabhängig davon, ob das Urteil für sie positiv ausgefallen ist oder ob es überhaupt gerecht ist. Diese Annahme wurde anhand gerichtlicher, politischer, interpersoneller sowie Entscheidungen aus der industriellen Arbeitswelt belegt.

Nach Thibaut und Walker ist die Verteilung von Kontrolle zwischen den streitenden Parteien und der urteilenden Instanz der entscheidende Faktor. Es hängt davon ab, wie die Kontrollverteilung wahrgenommen wird, ob ein Entscheidungsprozeß als fair empfunden wird.

Thibaut und Walker unterschieden dabei zwischen Prozeß- und Entscheidungskontrolle, wobei sich Prozeßkontrolle auf die Kontrolle der Parteien über die Präsentation der Fakten bezieht, Entscheidungskontrolle auf die direkte oder indirekte Kontrolle der Entscheidung. Der für Thibaut und Walker wichtigere Aspekt war das Ausmaß an ausgeübter Entscheidungskontrolle, Prozeßkontrolle sahen sie eher als indirektes Mittel, um Entscheidungskontrolle auszuüben.

Spätere Forschungen haben dagegen ergeben, daß Prozeßkontrolle für gewöhnlich wichtiger ist als Entscheidungskontrolle, ja sogar wichtig ist, wenn gar keine Entscheidungskontrolle ausgeübt werden kann.

Wie Thibaut und Walker angenommen haben, ist die Verteilung der Kontrolle entscheidend für die Wahrnehmung der Verfahrensgerechtigkeit, die Aussagen ihres Kontrollmodells treffen aber so nicht zu.

3. Das Gruppe-Wert Modell von Tyler (1989)

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Tyler entwarf ein anderes Modell zur Verfahrensgerechtigkeit, das Gruppe-Wert Modell. Er geht von der Grundlage aus, daß Menschen das Bedürfnis nach Gruppenzugehörigkeit haben und sich deswegen unter anderem auch mit ihrem politischen System und dessen Gesetzen und Instanzen identifizieren. Aufgrund dieser Identifizierung sehen sie ihr Verhältnis zu Institutionen und Entscheidungsinstanzen wie z.B. Gerichten und Behörden auch nicht als kurzfristig an, sondern gehen davon aus, daß sie in einem langfristigen Verhältnis zur Gesellschaft und deren Institutionen leben. Diese Grundannahme führt Tyler zu drei grundlegenden psychologische Aspekten, die die wahrgenommene Verfahrensgerechtigkeit bestimmen und die im Modell von Thibaut und Walker fehlen.

1. Neutralität

Da Menschen in einer Gruppe nicht immer ihren Willen durchsetzen können, ist es unrealistisch, Entscheidungen Dritter rein danach zu beurteilen, ob sie für den Betroffenen angenehm oder erwünscht sind. Da Menschen annehmen, daß in einer Gesellschaft im Laufe der Zeit jeder das bekommt, was ihm zusteht, sind sie bereit, Zugeständnisse und Kompromisse zu machen. Gerade deswegen aber legen sie großen Wert darauf, ob die Entscheidung fair zustande kommt und fokussieren ihre Aufmerksamkeit stark darauf, ob die Entscheidungsinstanz neutral handelt. Besonders wichtig ist dabei die Person, die die Entscheidung fällt, aber das gesamte Setting wird in Betracht gezogen.

2. Vertrauen

Das Vertrauen darauf, daß Behörden oder Gerichte als Entscheidungsinstanzen der Gesellschaft den Einzelnen wohlwollend, fair und vernünftig behandeln ist ein weiterer wichtiger Aspekt in Tylers Modell. Haben Menschen dieses Vertrauen, so nehmen sie Entscheidungsprozesse als gerechter wahr und sind dementsprechend eher bereit, der Gesellschaft Zugeständnisse zu machen. Haben sie kein Vertrauen in die Entscheidungsinstanzen, so wird ihre Loyalität der Gesellschaft gegenüber auf lange Sicht abnehmen.

3. Status

Menschen sind stets an ihrem Status in der Gesellschaft interessiert. Informationen über ihren Status ziehen sie in erster Linie aus der Interaktion mit anderen. Werden sie nun von einer Behörde, der Polizei oder auch bei Gericht ruppig und unhöflich behandelt, so wird ihnen vermittelt, daß man ihren Status als gering erachtet. Werden sie dagegen höflich und respektvoll behandelt, so wird ihnen der Eindruck vermittelt, daß sie in ihren Rechten als Gesellschaftsmitglied mit hohem Status ernstgenommen werden. Dies wirkt sich dann stark auf die Wahrnehmung der Verfahrensgerechtigkeit aus.

Tyler stellt die berechtigte Frage, wie Thibaut und Walkers Forschungen zu einem reinen Kontrollmodell führen konnten, wenn diese drei Aspekte, die nichts mit Kontrolle zu tun haben, von entscheidender Wichtigkeit für die wahrgenommene Verfahrensgerechtigkeit sind. Er sieht bei Thibaut und Walker zwei Fehler:

Sie benutzten für ihre Studien nur ein einziges Setting, die Beilegung eines Streites.

Ihre Versuchspersonen waren ausschließlich Studenten, die sich von der breiten Masse der Bevölkerung durch ihre stärkere Orientierung an kognitiven und verbalen Fähigkeiten sowie einem niedrigeren Interesse an lang andauernden Gruppenbeziehungen unterscheiden. Zudem wurden sie für das Experiment kurzfristigen Gruppen zugeteilt, was die Vermutung erlaubt, daß sie für diese Gruppen wenig bis gar keine Loyalität empfanden. Nach Tyler ist es wahrscheinlich, daß Thibaut und Walkers Theorie anders ausgefallen wäre, hätten sie mit repräsentativen Stichproben gearbeitet.

4. Untersuchung zum Gruppe-Wert Modell (Tyler 1989)

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Um sein Modell wissenschaftlich zu untermauern, führte Tyler eine groß angelegte Umfragestudie durch. Er verwendete Telefoninterviews und zufällig ausgewählte Anschlüsse in Chicago, um eine repräsentative Zufallsstichprobe zu erhalten.

Sein Ziel war es, seine drei Einflußgrößen, Neutralität, Vertrauen und Status als unabhängige Einflußfaktoren auf die abhängigen Variablen „wahrgenommene Verfahrensgerechtigkeit“, „wahrgenommene Verteilungsgerechtigkeit“, „Affekt gegenüber Behörden“ und „Glaube an die Gerechtigkeit der Behörden“ nachzuweisen. Weiterhin wollte er sie den Variablen des Kontrollmodells von Thibaut und Walker gegenüberstellen.

Er verwendete folgende unabhängige Variablen zur Operationalisierung der Einflußgrößen:

Erwünschtheit des Ergebnisses (outcome favorability): Die Erwünschtheit des Ergebnisses wurde je nach den vorliegenden Erfahrungen wie z.B. Gerichtsprozessen, Hilferufen an die Polizei oder Verkehrskontrollen unterschiedlich erfragt. Um daraus eine einheitliche Skala zu bilden, wurden die Angaben zur Erwünschtheit des Ergebnisses nach der Angabe der Befragten zur Schwere des vorliegenden Falles gewichtet. Außerdem wurde noch die relative Beurteilung der Befragten zum Fall erhoben, indem sie nach Vergleichen des vorliegenden Falls mit früheren Erfahrungen, Erfahrungen ihrer Freunde und Bekannten etc. gefragt wurden.

Kontrolle: Prozesskontrolle wurde erhoben, indem man die Vp befragte, wieviel Gelegenheit sie hatten, ihr Problem darzustellen, Entscheidungskontrolle durch die Frage nach dem Einfluß, den sie ihrer Meinung nach auf die Entscheidung der Instanz gehabt hatten. Da die Antworten auf die beiden Fragen mit r =.57 korrelierten, faßte man sie zu einer einzigen Skala zusammen.

Neutralität: Neutralität wurde durch Fragen nach einwandfreiem Verhalten, sachlichen Entscheidungen und Unvoreingenommenheit der Entscheidungsträger operationalisiert. Hier wurden zunächst die Fragen nach den drei Subskalen aufgrund ausreichender Korrelationen zusammengefaßt. Mir erscheint allerdings problematisch, daß Tyler - um eine einzige Neutralitätsskala konform seinem Modell zu erhalten - diese drei Subskalen dann noch einmal zusammenfaßte, obwohl sie lediglich zu r =.21 korrelierten. Dementsprechend wenig reliabel ist denn auch seine Neutralitätsskala (Cronbach alpha =.44). Wahrscheinlich wäre es vernünftig gewesen, Neutralität als Merkmal mit drei unabhängigen Subskalen zu messen oder auch die Items insgesamt zu einer Skala zusammenzufassen, ohne vorher drei Subskalen zu bilden.

Vertrauen: Von der Annahme ausgehend, daß Menschen aus dem aktuellen Verhalten von Behörden auf ihr zukünftiges Verhalten generalisierend schließen, wurde Vertrauen durch die Frage danach erhoben, wieviel Mühe sich eine Behörde gemacht hatte, die Vp fair zu behandeln. Die Grundannahme dieser Operationalisierung wurde überprüft und bestätigt.

Status: Informationen über den eigenen Status ziehen Menschen vor allem aus der Behandlung durch andere in sozialer Interaktion. Die Vp wurden danach gefragt, wie höflich sie durch Behörden behandelt worden waren und inwieweit ihre Rechte respektiert und ernstgenommen worden waren. Die beiden Items wurden wieder zu einer Skala zusammengefaßt.

Abschließend bleibt anzumerken, daß die UV’s nicht unabhängig sind. Die Gruppe-Wert Skalen sind mit .58 interkorreliert und weisen trotz der unterschiedlichen Konzeption der Modelle auch Korrelationen zur Kontrollskala auf. Diese wiederum sind mit der Erwünschtheit des Ergebnisses korreliert.

Als abhängige Variablen gingen vier Skalen in die Bewertung ein:

Verfahrensgerechtigkeit, aus zwei Items gebildet.

Gerechtigkeit des Ergebnisses, ebenfalls aus zwei Items gebildet

Affekt gegenüber Behörden (Frust, Ärger, Zufriedenheit)

Überzeugungen bezüglich der Fairneß von Behörden, aus Items zur Polizei und zu Erfahrungen mit Gerichten zusammengesetzt.

Zusätzlich wurden noch dreizehn Kontrollvariablen erhoben, davon sechs demographische, fünf auf die vorliegende Erfahrung mit Behörden und Gerichten bezogene und zwei über generelle Einstellungen zur Fairneß von Behörden.43 auf die vorliegende Erfahrung mit Behörden und Gerichten bezogene und zwei über generelle Einstellungen zur Fairneß von Behörden.

Die Ergebnisse stützen Tylers Modell ab. In einer multiplen Regressionsanalyse bestimmte er den Anteil der von den einzelnen UV s erklärten Kriteriumsvarianz. Zusammengenommen erklärten die drei Gruppe-Wert Skalen 65% der Varianz des Kriteriums Verfahrensgerechtigkeit. Die Kontrollskala kam auf 39%, die Erwünschtheitsskala auf 21% erklärter Varianz. Da die UV s untereinander korreliert sind, bestimmte er zusätzlich den Anteil, den die einzelnen UV s allein erklären, das heißt, ohne den Anteil, der sich mit den anderen UV s überschneidet. Dabei ergab sich, daß die Gruppe-Wert Skalen 22% erklärten, Kontrolle und Erwünschtheit allein genommen aber nur ein Prozent. Man kann also davon ausgehen, daß die Kontroll- und Erwünschtheitsskala zum größten Teil durch die Gruppe-Wert Skalen mit erfaßt werden. (siehe auch Tabelle unten)

In einer weiteren Regressionsanalyse testete Tyler, ob Situationsvariablen einen Einfluß auf die Signifikanz der UV s haben. Es ergab sich, daß im Falle einer Streitsituation sowie wenn das Ergebnis nicht wünschenswert war, signifikante Unterschiede in der Wichtigkeit von Kontrolle vorliegen. Dieses Ergebnis erlaubt den Schluß, das Thibaut und Walkers Kontrollmodell sich auf ihre einseitige Fokussierung auf Streit-Settings zurückführen läßt.

Im Rahmen einer dritten Regression wies Tyler nach, daß Personen, die sich der Gemeinschaft stärker verpflichtet fühlen, die Gruppe-Wert Variablen als wichtiger erachten. Hierzu teilte er seine Stichprobe anhand zweier Kontrollvariablen, Unterstützung rechtlicher Autoritäten und wahrgenommener eigener Verpflichtung diesen zu gehorchen, am Median in zwei Untergruppen auf. Es ergab sich, daß Personen, die höhere Loyalität zur Gemeinschaft empfinden, Verfahrensgerechtigkeit eher an der Neutralität des Entscheidungsprozesses festmachen.   Personen mit niedrigerer Loyalität orientieren sich in ihrer Definition der Verfahrensgerechtigkeit eher an der Erwünschtheit des Ergebnisses.

Teil 2: Psychologische Modelle des Gerechtigkeitsmotivs und ihr Einfluß auf die Wahrnehmung von Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit

1. Einleitung

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Es gibt zwei wichtige psychologische Theorierichtungen, die sich mit dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen befassen. Die sozialen Austauschtheorien und Ressourcen-Modelle, zu denen auch Thibaut und Walkers Kontrollmodell gehört, gehen davon aus, daß Menschen die Ressourcen, die sie aus der sozialen Interaktion erhalten, maximieren wollen. Sie glauben, daß dieses Ziel in der Gesellschaft dadurch zu erreichen ist, daß die Regeln der Verfahrens- und Verteilungsgerechtigkeit umgesetzt werden. Ob diese Regeln als in einem Entscheidungsprozeß angewandt wahrgenommen werden, hängt gemäß Thibaut und Walker von der von den Beteiligten ausgeübten Kontrolle ab. Die an der sozialen Identität orientierten Verhältnismodelle, wie z.B. Tylers Gruppe-Wert Modell, gehen davon aus, daß Menschen einen hohen sozialen Status haben möchten und Informationen über ihren Status in der Gesellschaft aus der Gerechtigkeit, die sie erfahren, ableiten. Tylers Modell nennt Interaktionsvariablen als das Maß, an dem Menschen Verfahrensgerechtigkeit ablesen. (siehe Teil 1)

In zwei Studien versuchte Tyler (1994) herauszufinden, wie sich diese zwei unterschiedlichen Gerechtigkeitsmodelle bzw. ihre Variablen auf die Wahrnehmung von Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit auswirken. Im ersten Fall handelt es sich um die Gerechtigkeit von Entscheidungen durch Behörden, in diesem Fall durch Gerichte und die Polizei, im zweiten Fall um eine Studie über Entscheidungen von Vorgesetzten im Arbeitsumfeld. Da die Theorien in Teil eins bereits ausreichend beschrieben sind, beschränke ich mich im Folgenden auf die Schilderung der Versuche.

2. Studie 1

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1. Einführung

In der ersten Studie erstellte Tyler zunächst ein Modell, das die Auswirkungen von Beurteilungen der Ressourcen, der Kontrolle und seiner drei sozialen Variablen in einem Entscheidungsprozeß   bei Gericht bzw. der Polizei über die beiden angenommenen Gerechtigkeitsmotive der Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit auf die davon abhängigen affektiven Reaktionen auf die gemachten Erfahrungen abbildet. Um den Einfluß der UV s, Erwünschtheit des Ergebnisses (resource judgments), Kontrolle (control judgments) und seiner sozialen Variablen (relational judgments) auf die beiden angenommenen Gerechtigkeitsmotive Verteilungsgerechtigkeit (distributive justice) und Verfahrensgerechtigkeit (procedural justice) zu überprüfen, entwarf er ein Stukturmodell, in dem er dann systematisch einzelne Einflußpfade ausschalten konnte, um herauszufinden, welche die entscheidenden Variablen für die Wahrnehmung von Gerechtigkeit sind.

2. Operationalisierung

Tyler erhob die Daten anhand von Telefoninterviews, die er mit 652 Bürgern von Chicago führte, die persönliche Erfahrungen mit Polizei oder Justiz hatten.

Er erhob folgende Variablen:

Ressourcen: wurde operationalisiert durch Fragen nach der Beurteilung der Vpn wie wünschenswert das Ergebnis war, wie sie es verglichen mit ihrer vorherigen Erwartung einschätzten, wie sie es verglichen mit dem einschätzten, was andere erhalten hatten und ihrer Einschätzung, wieviel Kontrolle über die Entscheidung sie hatten.

Prozeßkontrolle: operationalisiert durch eine Frage über die Einschätzung der Vpn, wie gut sie Tatsachen vorbringen konnten.

Neutralität: operationalisiert durch eine aus fünf Fragen bestehende Skala, die Voreingenommenheit, Ehrlichkeit und sachliche Entscheidungsfindung beinhaltete. (zur Problematik dieser Skala siehe Teil 1)

Status: operationalisiert durch eine aus zwei Fragen bestehende Skala, die Höflichkeit und die Respektierung der Rechte der Vpn beinhaltete.

Verteilungsgerechtigkeit: operationalisiert durch eine aus zwei Fragen bestehende Skala mit dem Inhalt der Fairneß des Ergebnisses

Verfahrensgerechtigkeit: operationalisiert durch eine aus zwei Fragen bestehende Skala, die die Fairneß des Entscheidungsprozesses erfragte

Affekt: operationalisiert durch eine Frage, ob sich die Vpn über das Ergebnis ärgern, frustriert oder zufrieden sind.

3. Vorgehensweise

Zunächst ermittelte er nun anhand dieser Modelle dasjenige, das die Einflüsse der einzelnen Variablen am Besten abbildet. Es ergab sich, daß Modell C am ehesten die Realität abbildet, demnach haben Kontrolle, Erwünschtheit des Ergebnisses und die sozialen Faktoren Neutralität, Vertrauen und Status alle einen Einfluß auf die wahrgenommene Verteilungsgerechtigkeit, die Wahrnehmung der Verfahrensgerechtigkeit wird aber durch die sozialen Variablen dominiert. Für dieses Modell errechnete er anschließend die Pfadkoeffizienten für die einzelnen Variablen.

4. Ergebnisse

Es ergab sich, konform zum erstellten Modell, daß der auf die Erfahrungen bezogene Affekt in erster Linie von der Wahrnehmung der Verfahrensgerechtigkeit abhängt, die wiederum von den drei Faktoren Vertrauen, Status und Neutralität der Entscheidungsträger abhängt.

Da das verwendete Modell am selben Datensatz erstellt wurde, an dem Tyler später die Hypothesen testete, ist es nicht erstaunlich, daß er das Modell bestätigen konnte. Dieses Ergebnis war zu erwarten. Geschickter wäre es gewesen, den vorhandenen Datensatz zu teilen und an einer Hälfte das Modell zu identifizieren, um es dann mit der anderen Hälfte der Daten zu belegen, zumal ausreichend Vpn an der Studie teilnahmen.

3. Studie 2

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Diese Studie im Einzelnen zu beschreiben ist an dieser Stelle unnötig, sie ist vom Design her völlig mit der ersten identisch. Im Unterschied zur ersten Studie wurden in diesem Fall aber Arbeitnehmer über Entscheidungen ihrer Vorgesetzten befragt.

Es wurden drei zusätzliche Variablen erhoben:

Der Willen, die Entscheidung zu akzeptieren.

Die Nähe des Arbeitnehmers zu seinem Vorgesetzten, operationalisiert in einer aus fünf Fragen bestehenden Skala zum Thema Nähe

Investitionen in den Arbeitsplatz, operationalisiert durch eine aus fünf Fragen bestehende Skala mit den Themen Arbeitszufriedenheit, wahrgenommene Vorteile durch die Arbeit und Neigung zur Kündigung.

Die letzten beiden Variablen waren Moderatorvariablen, das sind Variablen, die Stärke und Richtung einer UV und einer AV beeinflussen können, selbst aber von der UV unabhängig sind. (z.B. demographische oder Situationsvariablen)

Die Vorgehensweise entsprach dem ersten Versuch, es wurde das selbe Modell benutzt. Die Ergebnisse waren auch weitgehend die gleichen, die zusätzliche Variable „Wille die Entscheidung zu akzeptieren“ wird von sowohl Verfahrens- wie auch Verteilungsgerechtigkeit bestimmt.

Das Wichtigste an diesem zweiten Versuch ist die Replizierung des Ergebnisses des ersten anhand einer unabhängigen Stichproben und einem anderen Setting. Dies beweist, das das zugrundeliegende Modell Aussagekraft besitzt. Nur anhand der ersten Studie könnte man diese Aussage noch nicht treffen.

4. Abschließende Bemerkungen

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Die wichtigsten Ergebnisse der beiden Studien seien noch einmal kurz zusammengefaßt:

Es zwei unabhängige Gerechtigkeitsmotive, Ressourcenverteilung bestimmt das Urteil des Menschen über Verteilungsgerechtigkeit, Belange der sozialen Interaktion beeinflussen ihn in seiner Wahrnehmung der Verfahrensgerechtigkeit.

Die Verfahrensgerechtigkeit bestimmt hauptsächlich den Affekt gegenüber einer Entscheidung, der Wille sie zu akzeptieren wird auch von der Verteilungsgerechtigkeit mitbestimmt.

Die Replizierung der Ergebnisse legt den Schluß nahe, daß diese psychologischen Erkenntnisse über das Gerechtigkeitsempfinden sich über verschiedene OrganisationsSettings verallgemeinern lassen.

5. Literatur

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Bortz, Jürgen: Statistik für Sozialwissenschaftler, Berlin, Heidelberg, Springer-Verlag 1993

Tyler, Tom R.: The Psychology of Procedural Justice: A Test of the Group-Value Model

                        in: Journal of Personality and Social Psychology, 1989, Vol. 57, No. 5, 830-838

Tyler, Tom R.:Psychological Models of the Justice Motive: Antecedents of Distributive and

                       Procedural Justice

                       in: Journal of Personality and Social Psychology, 1994, Vol 67, No 5, 850-863

 

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